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NRC 2017: Interview mit Maria Courtial von Faber Courtial

Viel Spaß!

Wir haben euch bereits zum Next Reality Contest 2017 die beiden Start-ups CrazyBunch und NOYS VR vorgestellt. Nun freuen wir uns sehr darüber, euch das bereits seit 20 Jahren bestehende Unternehmen Faber Courtial näher bringen zu dürfen. Das Team hat bereits VR-Produktionen für die Terra-X-Reihe auf ZDF sowie für den WDR erstellt. Beim NRC 2017 treten sie mit ihrer vollimmersiven 3D-VR-Doku 360° Gladiatoren im Kolosseum an.

Die nominierten des NRC 2017: Faber Courtial aus Darmstadt mit ihrer VR-Dokumentation: 360° Gladiatoren im Kolosseum

VR Nerds: Hallo Frau Courtial, können Sie uns Ihr Unternehmen kurz vorstellen?

Maria Courtial: Unsere Firma Faber Courtial gibt es seit knapp 20 Jahren. Ursprünglich haben wir, die Gründer Maria und Jörg Courtial, Industriedesign studiert und dort auch eingeführt, in 3D am Rechner zu entwerfen. Von Beginn an war es uns wichtig, eine gute Darstellungsqualität und vor allem Emotionen in die 3D-Animation zu bringen.

Zu Beginn kamen unsere Kunden aus dem Bereich Design, Architektur und Industrie. Bald folgten dann Aufträge für Museen und TV-Produktionen, für die wir zahlreiche historische Rekonstruktionen erstellten und die uns letztlich bewusst machten, was wir mit unserem Können wirklich machen wollen und was seitdem unsere „Leidenschaft“ ist: die Erstellung eindrucksvoller digitaler Welten – von vergangenen Zeiten bis hin zu Bereichen, die bisher schwer zugänglich waren, wie z. B. das Innere eines Vulkans oder des menschlichen Körpers.

Fast 20 Jahre haben wir nun auf diese Weise fundierte Erfahrung im Bereich CGI, Mattepainting und Postproduktion sammeln können, vor allem für hochkarätige TV-Dokumentationen und internationale Ausstellungen. Der Schritt in den Bereich VR war dann eigentlich ein ganz logischer. 2015 haben wir zusammen mit dem ZDF die Planung für die erste VR-Produktion im deutschen Fernsehen begonnen. Ergebnis war die VR-Produktion „Vulkane in 3D“ für die beliebte Terra-X-Reihe. Weitere preisgekrönte VR-Projekte folgten, u. a. der VR-Film „Gladiatoren im Colosseum 360 VR“ sowie eine Zeitreise um den Kölner Dom für den WDR; das Projekt hat den Grimme Online Award 2017 gewonnen.

VR Nerds: Das klingt sehr spannend. Wie groß ist euer derzeitiges Team?

Maria Courtial: Mittlerweile arbeiten in unserem Team 13 fest angestellte Mitarbeiter – vom 3D-Artist bis hin zum Archäologen. Sie und unser mittlerweile umfangreich angewachsenes Setarchiv, das neben genauesten anatomischen und geologischen Assets auch Rekonstruktionen nahezu aller Epochen und Kulturen umfasst, bilden die Basis unserer Animationen und VR-Produktionen. So haben wir z. B. erst kürzlich für eine Mannheimer Ausstellung das alte Rom in gleich drei Zeitphasen wieder auferstehen lassen – so detailgetreu und umfangreich wie nie zuvor.

VR Nerds: Warum habt ihr euch dazu entschieden, eine 360°-VR-Erfahrung zu machen?

Maria Courtial: Eine VR-Anwendung zu machen ist eigentlich die logische Konsequenz unserer bisherigen Arbeiten. Wie oben schon beschrieben, kreieren wir für unterschiedlichste Themen komplette 3D-Welten. Räume, die für Filmproduktionen als Set Extension aber auch voll animiert inszeniert werden. Diese in ihren natürlichen Dimensionen erleben und begehen zu können ist ein Traum, der uns schon von Beginn unserer Firmengründung an begleitet.

Schon 1997 entwickelten wir in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer Institut für grafische Datenverarbeitung in einer Designstudie ein sogenanntes Exoskelett mit VR-Brille. Allerdings dauerte es dann fast 20 Jahre, bis die Immersion in unserer Zeit wirklich erlebbar wurde und ein Massenmarkt – nun zum Greifen nah – bevorsteht.

VR Nerds: Könnt ihr eure nominierte VR-Doku 360° Gladiatoren im Kolosseum kurz beschreiben?

Maria Courtial: Unser Film 360° Gladiatoren im Kolosseum hat die Gladiatorenkämpfe im alten Rom zum Inhalt, die Zuschauermagnete einer gigantischen Unterhaltungsindustrie waren und die Massen in Begeisterung versetzten.

Produziert wurde die VR-Zeitreise im Auftrag des ZDF für die Terra-X-Reihe. Die „Gladiatoren…“ machen die antiken Gladiatorenkämpfe in ganz neuer Weise intensiv erfahrbar. In kaum einem Meter Abstand erlebt der Zuschauer das Duell in der Arena in einer bisher nicht gekannten körperlichen Nähe und Intensität. Im weiteren Verlauf des Films wird er dann – aus der Herrscherloge heraus – an der Seite von Kaiser Titus zum Zeugen des blutigen Finales.

Das Besondere ist, dass diese 10-minütige, vollimmersive 3D- und 360 Grad-Dokumentation ganz neue Standards in der Qualität von VR-Filmen setzt. Denn hier wurden erstmals räumliche Filmaufnahmen von realen Schauspielern mit einer im Computer erstellten, vollimmersiven Kulisse (CGI) verknüpft. Um hier den Menschen im VR-Raum so nah kommen zu können wie nie zuvor, wurde sogar ein eigenes Kamerasystem entwickelt. Damit wird eine Nähe geschaffen, die in dieser Form im VR-Raum bisher noch nicht möglich war.

Zudem bestand ein Hauptanliegen der Produktion in der historischen Genauigkeit, die durch Historiker und Archäologen aus unserem Team gewährleistet wurde. Das heißt wir haben versucht, durch enorme Detailtreue bei der digitalen Gebäuderekonstruktion sowie durch die Ausstattung, Choreografie und dem 3D-Sound des Films eine möglichst authentische Wahrnehmung des Jahres 80 AD zu schaffen, wie dies in keinem anderen Medium bisher möglich war.

Letztlich kann man unsere Filmidee wie folgt auf den Punkt bringen: Wir wollten damit nicht einfach nur unterhalten. Wir wollten unsere Faszination für Geschichte mit dem Zuschauer teilen. Virtual Reality gibt uns die technische Voraussetzung, um Geschichte erlebbar zu machen.

VR Nerds: Welche Zielgruppe versucht ihr damit zu erreichen?

Maria Courtial: Die Zielgruppe des Films ZDF / Terra X war für die Initiatoren letztlich der Zuschauerstamm der Sendung selbst: das heißt  bildungsaffine Menschen, die an historischen Themen interessiert sind. Generell aber soll der Film natürlich auch komplett neuen Zielgruppen diese neue Erfahrung ermöglichen – ob man den Film nun als Zeitreise interpretiert oder als eindringliches körperliches Erlebnis von bedrückender Brutalität und Unausweichlichkeit.

VR Nerds: An welchen weiteren Projekten arbeitet ihr in diesem Bereich?

Maria Courtial: Weitere Projekte sind in der Pipeline. Aber es darf leider derzeit noch nicht darüber öffentlich kommuniziert werden, vermutlich Anfang nächsten Jahres.

VR Nerds: Wie denkt ihr entwickelt sich VR/AR innerhalb der nächsten fünf Jahre weiter?

Maria Courtial: Wie sich VR entwickeln wird, hängt ganz stark von der Hardware ab. Noch haben unserer Meinung nach die Optik und das Handling der HMDs nicht das Zeug zum „Alltagsgerät“. Das heißt einem Gerät, das intuitiv verwendet wird, das stylisch ist, die Frisur nicht zerstört und dessen Träger bei Starbucks oder Vapiano alltäglich sind. Soviel zum Design.

Ganz wichtig jedoch ist die optische Auflösung: Pro Auge wird aktuell in maximal 2K aufgelöst. Wahrscheinlich entspricht das der Sehkraft eines Insekts. Um eine absolut real wirkende Auflösung zu erleben, benötigen wir jedoch mindestens 16K. Ein perfektes Eye-Tracking und eine darauf abgestimmte variable Auflösung sind sicher die richtigen Weichen, die auf dem Weg dahin gestellt werden müssen.

Ein weiteres Manko der aktuellen Hardware ist das eingeschränkte Sichtfeld. Noch immer schauen wir uns die VR-Welten durch eine „Röhre“ an – die eine vollkommene Immersion mit Suchtfaktor nicht wirklich möglich macht.

Mit anderen Worten: Die Zukunft von VR liegt mehr in den Händen der Innovatoren auf der Hardwareseite als auf der Seite der Entwickler von Inhalten.

Der zweite wesentliche Part liegt auf der Seite der Distribution. Noch werden größere Investitionen zur Entwicklung von VR-Inhalten zurückgehalten. Und da man bei den Umsätzen von hochwertigen VR-Brillen noch immer nicht von einem Massenmarkt sprechen kann, bremst sich das Ökosystem der virtuellen Welten noch immer gegenseitig aus. Wir gehen jedoch davon aus, dass dieser Knoten innerhalb der nächsten Jahre platzen wird.

VR Nerds: Wie sieht demnach zukünftig die perfekte VR-App nach euren Ansprüchen aus?

Maria Courtial: Die perfekte App: In der perfekten App befinden wir uns täglich 24h. Soviel zu unseren Ansprüchen *zwinkert*.

 

Wir bedanken uns herzlich bei Maria Courtial für das Interview und wünschen Faber Courtial viel Glück beim NRC 2017!

Die Verkündung der Gewinner des Next Reality Contest 2017 und die dazugehörige Preisverleihung findet am 28. November 2017 in Hamburg statt. Alle weiteren Teilnehmer sind auf der offiziellen Webseite einsichtlich.

(Quellen: NRC 2017 | Video: Terra X Natur & Geschichte Youtube)