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Tower Tag auf Steam

Der sogenannte Walk-of-Shame steht im anglophonen Sprachraum für das schamvolle Heimkommen nach einem One-Night-Stand. Bei Licht betrachtet wirkt die vermeintlich so attraktive Errungenschaft der Nacht zuvor nicht mehr so anziehend und führt zum Heimweg mit Alkoholgeruch von Gestern an der Kleidung und dem Bedauern im Kopf.  Zwei Tage nach dem Kauf von Oculus VR durch Facebook zeichnet sich just diese Gemengelage ab, nur scheint  in dieser Ménage-à-trois noch nicht sicher, wer mit gesenkten Hauptes aus diesem Deal  hervorgehen wird, sicher ist, dass die Seite der Community nicht vergessen werden darf.

“Entweder man stirbt als Held oder man lebt so lange, bis man selbst zum Schurken wird”

Mit diesem Satz beschreibt Harvey Dent perfekt den Mechanismus den wir an der Entstehung des Facebookulus-Monsters beobachten können

Markus Persson, Minecraft Entwickler und VR-Enthusiast, war ein früher Unterstützer von Oculus VR, er war begeistert von der Technik und dem Entwicklerteam, trotzdem oder gerade deshalb beendete er mit Bekanntwerden des VR-Megadeals jedwede weitere Entwicklung für das Oculus Rift – wir berichteten bereits. Das als Crowdfounding begonnene Projekt Oculus Rift hatte bis dato einen enormen Rückhalt in der Community, gerade die Tatsache, dass Oculus VR die Finanzierung über eine Kickstarterplattform anging, schuf bei den Spendern ein Gefühl der Zusammengehörigkeit, ein subjektives Machtgefühl, dadurch hervorgerufen, dass eine so hervorragende Technologie vorbei an den großen Globalplayern mitgestaltet werden kann, löste Euphorie unter uns VR Interessierten aus. Ein seltenes Wir-Gefühl kam auf, eine Goldgräberstimmung wie sie häufig die Frühphase einer neuen Technologie begleitet kam auf, und dieses Mal gehörte sie uns, die User selbst haben die Entwicklung bezahlt, der Draht zu den Entwicklern war kurz ,die Software offen. Während all das die Begeisterung für die Firma Oculus VR, den Entwickler Palmer Luckey und natürlich das begehrte Produkt, das Oculus Rift,  immer weiter vorantrieb, haben sich die Vorzeichen ins Gegenteil verkehrt. Facebook hat durch unzählige kleinere und größere Datenschutzprobleme sowie aggressive Einkaufspolitik zu großen Teilen ehemalige Sympathien verspielt und hat damit bereits das durchgemacht was Oculus VR nun durchmacht – die Transformation vom Helden zum Schurken.

Die Community enttäuscht von Oculus VR

In den kaum 48 Stunden nach Bekanntwerden von Facebooks VR-Megadeal steht die VR-Community Kopf, die Meldungen und Meinungen zum Sell-Out von Oculus VR überschlagen sich, die Stimmung in der VR-Community schwankt zwischen Enttäuschung und Wut und dem ganzen Spektrum dazwischen. So wundert es kaum, dass sowohl von Seiten von Oculus VR durch Gründer Palmer Luckey, als auch von Zuckerberg selbst schnell Statements herausgegeben wurden die die wütenden Fans beschwichtigen sollten, Links dazu finden sich in unserem vorgestrigen Artikel zu Facebookulus. Keiner der Parteien war jedoch in der Lage die Zweifel der Fans zu zerstreuen, im Gegenteil, die Welle der Ablehnung schlug so hoch, dass auch Mainstream-Medien wie die Huffington Post darüber berichteten. Das Ausmaß der Ablehnung gegenüber Facebookulus in der Community wird durch diesen immer häufiger auftauchenden Link deutlich, er führt zur Bestellstornierungsanleitung von Oculus VR. Den Kommentaren im Netz ist zu entnehmen, dass bereits viele early Adopter diesen Weg eingeschlagen haben und darüber hinaus andere zu Stornierung auffordern. Die Vermutung, dass das Oculus Rift von seinen Gamingwurzeln weg zu einer Kommunikationsplattform wird und zwangsläufig für Werbezwecke genutzt wird, liegt auf der Hand. Ohne bis jetzt etwas an ihrer Arbeitsweise geändert zu haben, hat Oculus VR mit seinem Eintritt in dieses Haifischbecken anscheinend den Rückhalt derer verloren zu haben, die das Projekt überhaupt erst ermöglicht haben.

Crowdfunding ist nicht gleich Investment

Die Unterstützer von Oculus VR mussten diesem Unterschied nach dem Verkauf an Facebook wohl oder übel akzeptieren. Der grundlegende Unterschied zwischen Crowdfunding und einem klassischen Investment, wie beispielsweise einer Aktie, ist dass der Unterstützer von Crowdfunding-Projekten keinerlei  Anspruch auf eine Beteiligung an etwaigen Gewinnen hat. Es handelt sich hierbei um eine Spende, die im Fall von Oculus bei einer Spende von 300$ mit dem Oculus Rift und bei 25$ immerhin noch mit einem T-Shirt belohnt wurde, so bekamen die 10$-Spender gerade mal einen Dank ausgesprochen. Ausdrücklich wiederholt sei, dass durch eine solche Spende keinerlei Rechtsgrundlage für Gewinn aus ihr erwächst. Allerdings tätigt man Spenden in dem Vertrauen, dass diese Spende im Sinne des Spenders verwendet wird und der Empfänger sich in einer moralischen Verantwortung  gegenüber den Spendern sieht. Genau dieses Vertrauensverhältnis zwischen den Unterstützern von Oculus Rift und der Entwicklerfirma wurde so nachhaltig erschüttert als das Unternehmen an Facebook verkauft wurde. Sie halfen 2,4 mio Dollar in dieser bis jetzt erfolgreichsten Kickstarterrunde zusammenzubringen, knapp 2 Jahre später bringt der Verkauf dieses Projektes 2 Mrd. an den der Spender keinen Anteil hat und jetzt auch noch um die Zukunft des Oculus Rift fürchten muss. Die schiere Dimension dieses Deals rückt ihn in den Fokus der interessierten Öffentlichkeit und könnte dazu führen, dass Crowdfunding in der Zukunft mit anderen Augen gesehen wird. Einige Spender, die für Oculus Rift spendeten, haben bereits angekündigt künftig nicht mehr an Crowdfunding-Projekten teilzunehmen, ob dies nur erste Verärgerung oder ein sich entwickelnder Trend ist, wird die Zukunft zeigen.

Facebookulus was sagt die Wirtschaft

Auf bloomberg.com wurde Zuckerbergs neuster Einkauf als 2 Milliarden Dollarwette bezeichnet und damit ein gewissen Misstrauen von Investoren gegenüber einem Markt der sich erst entwickeln muss, es ist jedoch nicht nur Misstrauen gegenüber dem Virtual Reality-Markt, sondern auch Facebook wird von Analysten weiterhin kritisch beäugt. Aus Investorensicht kann Facebook bis heute nicht seine jetzigen Nutzerzahlen in Kapital umwandeln, eine nachhaltige Wertentwicklung wird stark angezweifelt. Gerade an diesem Punkt haben sich verschiedene Betrachtungsweisen des Oculus VR-Deals entwickelt. Die eine Seite sieht hier den Versuch neue Märkte zu erschließen, um gerade so einen langfristigen Cashflow, auch abseits von Werbung zu erzielen und vergleicht den Deal mit dem Kauf von Android durch Google, ein Geschäft was damals Verwirrung stiftete, war Android doch eigentlich als Steuerungssoftware für Kameras gedacht, so entwickelte sich das daraus das derzeit am meisten verbreitete Smartphone-OS am Markt. Nachdem Facebook die damalige Mobilwelle zunächst verschlief, scheinen sie hier dem Markt vorangehen zu wollen und hoffen auf einen ähnlichen Effekt wie bei Android. Die andere Seite erwägt, dass Zuckerberg die schwierige Situation seiner Firma am Finanzmarkt erkannt hat und den derzeit noch recht hohen Wert der Unternehmensaktien nutzt und durch den Ankauf von vielversprechenden Firmen versucht ein Unternehmenskapital abseits der Nutzerzahlen zu erzeugen. So oder so hat der Deal dem Thema Virtual Reality zu einer großen Medienpräsenz verholfen und dazu geführt, dass sich bei anderen Entwicklern von VR-Hardware bereits Anfragen aus der Industrie häufen

Am Ende wird die Zukunft zeigen wer schlussendlich wirklich den Walk-of-Shame antritt, derzeit sind es zunächst diejenigen die den Aufstieg von Oculus unterstützt haben, denn diese frühen knapp 10.000 Enthusiasten sind nicht das angestammte Zielpublikum von Facebook, sondern dessen 1 mrd. Nutzer. Oculus VR wird sich einer neuen Zielsetzung gegenübersehen und sich fragen, ob es weiterhin der ursprünglichen Vision treubleiben kann, oder der neue Dachverband ihm die Zügel anlegt, dass jetzt die Taschen erstmal voll sind ist allerdings jedem klar. Für Facebook steht derzeit eine Menge auf dem Spiel, allerdings ist dies nicht dem Kauf von Oculus geschuldet, sondern anderen Faktoren. Facebook wird augenscheinlich am wenigsten von diesem Deal betroffen, jedoch im Falle des Erfolges der größte Nutznießer sein.

Am Ende sitzen vielleicht Palmer Luckey und seine ehemaligen Unterstützer zusammen in dem Taxi, was sie mit verschmiertem Make-up und zerzausten Haaren am Morgen danach nach Hause fährt.

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